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Solidarity against Repression! | 9.9.17 | Soliparty | Kafe Marat

Im Frühling 2011 fanden in Athen und vielen anderen griechischen Städten teilweise täglich militante Proteste gegen den Sparkurs der Regierung statt. Dieser bedeutete und bedeutet heute noch für große Teile der Bevölkerung eine garantierte Verarmung zugunsten der Rettung des Euros und der Banken. Im Zuge dieser Demonstrationen und Streiks wurden viele Menschen die Zielscheibe von staatlicher Repression. Zweck dieser Repression, war es wie immer, Aktivist*innen mundtot zu machen. Derzeit laufen immer noch viele Gerichtsverfahren gegen unsere griechischen Genoss*innen. Einige von ihnen wurden bereits zu Haftstrafen von bis zu 18 Monaten verurteilt. Nun besteht die Möglichkeit, unsere Freund*innen beim Freikaufen aus diesen Strafen und den entstehenden Prozesskosten zu unterstützen: Kommt alle zu unserer Soli-Party am Samstag, den 9.9.17 ins Kafe Marat. Der Gewinn aus Einlass und Getränken kommt ausschließlich den griechischen Antirepressionskosten zu Gute. Für die musikalische Gestaltung des Abends sind da: extra aus Athen eingeflogen: Xartopolemos | Hip-Hop und die Münchner ATP-Crew | Hip-Hop im Anschluss gibt es noch Aufgelge

Von Athen bis München, Solidarität ist eine Waffe!

Normen überwinden, Staatsherrschaft durchbrechen!

Aufruf zur Demonstration „München gegen Polizeigewalt“ am 05. August, 16 Uhr Münchner Freiheit

Aufruf veröffentlicht unter différⒶnce muc.

Polizeigewalt ist in Deutschland für viele Menschen bittere Realität. Für linksradikale Aktivist*innen, Obdachlose, Persons of Color, diejenigen, die von der Gesellschaft als Verbrecher*innen abgestempelt werden, kurz: Für alle diejenigen, die irgendwo am Rand der Gesellschaft stehen. Dabei ist die Polizei längst nicht die einzige Repressionsbehörde des Staates, wenngleich sie für viele Menschen die sichtbarste Instanz darstellt. Justiz, Gefängnisse und Verwaltungsämter sind weitere, explizite Repressionsbehörden des Staates. Sie vervollständigen das Instrumentarium des Staates zur Umerziehung aus der Reihe gefallener Bürger*innen oder derer, die sich anmaßen, sich trotz ihres Nicht-Bürger*innen-Status auf dem Territorium dieses Staates aufzuhalten, um weitere repressive Elemente.

Doch die Tatsache, dass Menschen „umerzogen“ werden müssen, um irgendeiner „Norm“ zu genügen, gibt bereits Hinweise darauf, dass es neben den als solche auftretenden Repressionsbehörden auch internalisierte Strukturen in der Gesellschaft gibt, die überhaupt erst die Grundlage für Repression schaffen. Durch die Familie, den Schulunterricht, die an Universitäten vermittelte Lehre, die in Büros herrschende Ideologie, in den Medien vermittelten Normen und viele weitere Einrichtungen, sogenannte Ideologische Staatsapparate,1 werden den Menschen in einem Staat „Normen“ vermittelt, die sie dann wiederum reproduzieren. So sind repressive Eingriffe des Staates in aller Regel gar nicht notwendig, nur dann, wenn Menschen diesen Normen nicht entsprechen, wird ein Eingreifen der staatlichen Repressionsbehörden notwendig.

Es gibt in unserer Gesellschaft also weitaus mehr repressive Gewalt als nur die der Polizei, die Gesellschaft reproduziert diese Repression in Form der Ideologie ihres Staates selbst und ist nur dort auf die repressiven Organe eben jenes Staates angewiesen, wo Menschen sich zuvor bereits über internalisierte Repressionsstrukturen hinweggesetzt haben. Um diese Menschen dann zurück in die gesellschaftlichen „Normen“ zu pressen bedarf es dann eben solch weitgehender Eingriffe durch den Staat.

Vor diesem Hintergrund lassen sich die bayerischen und deutschen Gesetzesverschärfungen im Zusammenhang mit den Protesten in Hamburg als ein verzweifelter Versuch eines ins Wanken gebrachten Staates deuten, der sich nur noch damit zu helfen vermag, autoritärer zu werden. Aber auch wenn mensch sicherlich unterstellen kann, dass die Proteste in Hamburg gezeigt haben, dass auch ein hochgerüsteter Staat temporär ins Wanken gerät, wenn er von einer großen Menge an Menschen radikal in Frage gestellt wird, wäre es eine gewaltige Überhöhung der Proteste in Hamburg zu sagen, der deutsche Staat befände sich momentan in einer Krise. Die Proteste in Hamburg haben eben auch gezeigt, dass rechte Medien in Deutschland immer noch Diskurshoheit haben.

Die nun eingeleiteten Gesetzesverschärfungen dienen dazu, das Sammelsurium an Repressionsmöglichkeiten zu erweitern und damit vor allem einzuschüchtern. Die Rebellion gegen „Normen“, das Anprangern von Diskriminierungen und die Sichtbarmachung von Brüchen mit diesen „Normen“  ist also auch weiterhin ein wichtiges Element zur Abschaffung des Staates, doch wo der Staat den Konflikt auf eine neue Stufe hebt, müssen auch wir bereit sein, ihm auf dieser Stufe entgegenzutreten.

Der Staat verhindert angemeldete, „legale“ Protestformen? Schön, wir finden andere Wege unseren Protest kund zu tun. Der Staat rüstet auf, um seine Feind*innen rund um die Uhr zu überwachen? Schön, wir finden Wege, diese Überwachung zu umgehen und greifen die Institutionen des Staates an, mit denen er gegen uns vorgeht. Denn für uns ist die Rebellion gegen Herrschaftsverhältnisse mehr als nur ein Angriff auf den Staat. Für uns ist die Rebellion performativer Akt, denn in ihr liegt unser Weg zu individueller Freiheit.

Zugleich jedoch bietet uns die Aufrüstung des Staates auch Möglichkeiten Herrschaft für all diejenigen sichtbar zu machen, denen es bislang nicht gelungen ist, die „Normen“ unserer Gesellschaft zu überwinden. Während es ein langwieriger Prozess ist, internalisierte Herrschaftsverhältnisse in der Gesellschaft aufzuzeigen, gibt uns ein autoritärer Staat die Möglichkeit explizite Herrschaftsverhältnisse, die Asymmetrie der Gewalt und konkrete Fälle der Repression deutlich und ohne jeden Zweifel sichtbar zu machen. Deshalb wollen wir unsere Wut über diese Zustände auf die Straße tragen und anderen ebenso wie uns selbst beweisen: Wir lassen uns nicht einschüchtern.

Nieder mit dem Staat und seinen Institutionen!

Vortrag von Anarchist*innen aus Irkutsk, Ostsibirien | 23.

Der Vortrag über die ökonomische und soziale Situation in Russland wird von zwei Anarchist*innen aus Irkutsk (Sibirien) gehalten, die Teil von anarchistischen, tierrechtlerischen und sozialen Initiativen sind. Sie sind außerdem Angeklagte in einem Prozess wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ – welches ein Verbrechen in Russland darstellt.

Da Russland sehr groß ist werden sie generell etwas über die Situation im Land erzählen aber einen Schwerpunkt auf den Sibirien legen.

Du wirst etwas über das post-sowjetische Erbe, die ökonomische Krise in Russland, die Beziehung zwischen dem politischen Regime und der Opposition, der anarchistischen Bewegung und der Repression des Staates lernen.

A – Kafe x Trambahn Soli Party | 17.6. | Kafe Marat

Am Samstag, den 17.6.17 wird solidarisch das Tanzbein geschwungen.

Mit Acts wie Express Brass Band, ÄMBONKERUSCHI und der fabelhaften ATP Crew wollen wir anstehende Repressionskosten und den Fortbestand unseres Anarchistischen Kafes sichern.

Schon ab 14 Uhr werden im Marat verschiedene Workshops, darunter Siebdruck, Lockpicking und Samenbomben angeboten. Dazu gibts kühle Drinks, gutes Essen und eine Tombola.

Kommt vorbei und bringt eure Freund*innen mit!

Libertärer 1. Mai | Rindermarkt

Unser Leben besteht aus morgens aufstehen, um in die Arbeit zu rennen. Dort für wenig Lohn acht oder mehr Stunden zu buckeln. Am Ende des Monats muss trotzdem gerechnet werden, ob nach Abzug der Miete noch genug Geld vorhanden ist – für Rechnungen, Bahntickets oder Lebensmittel. Leiharbeit, befristete und prekäre Beschäftigung weiten sich aus.
Mit dem Überschuss aus unserer Arbeit machen die Unternehmen Gewinn, die sie entweder reinvestieren oder einstreichen, auch konsumieren oder an Aktionäre ausschütten. Der gesamte gesellschaftliche Reichtum basiert auf Nichtbesitz eines Großteils der Menschen, der sie einerseits zur Lohnarbeit und andererseits dazu zwingt, die hergestellten Güter mit ihrem Lohn wieder zu erwerben. Auf der sozialen Leiter absteigen kann man schnell, dies jedoch verhindern kann man dagegen nur durch noch mehr Lohnarbeit und Leistungszwang.

Die relativ gut bezahlten und abgesicherten Stammbelegschaften stellen schon lange keine Mehrheit mehr dar. Die Gewerkschaften klammern sich jedoch an dieses Klientel, wobei die Ränder von ihnen einfach geopfert werden. Andererseits wurde mit dem drohenden „Tarifeinheitsgesetz“ das Streikrecht faktisch ausgehebelt und kleineren Gewerkschaften die Möglichkeit eigenständiger Kämpfe genommen.

Wie immer am 1. Mai werden die DGB-Gewerkschaften und sozialdemokratischen Parteien etwas von Solidarität faseln. Helfen wird das niemandem. Letztlich müssen wir uns schon selbst helfen. In der Arbeit und im Alltag. Individuelle Verweigerung kommt häufig vor. Praktische Solidarität und Selbstorganisierung existieren ebenfalls bereits, wenn auch nicht immer gleich offen sichtbar. In kleinen und in größeren Ansätzen. Es liegt an uns Betroffenen langfristig einen solidarischen und kollektiven Prozess in Gang zu setzen.

Doch machen wir uns nichts vor. Es liegt ein langer Weg vor uns. Und die Zeiten werden härter. Nach der Krise 2008 und den Migrationsbewegungen nach Europa bricht sich in Teilen der Gesellschaft Rassismus Bahn. Statt die Ursache der Misere in der sozialen Ungleichheit zu verorten, wird diese ethnisiert. Es wird wieder zur Normalität Nationalismus, d. h. eine »Wir zuerst«-Mentalität offen zu propagieren. Nahezu täglich gibt es Übergriffe auf Geflüchtete oder deren Unterkünfte. Rassist_innen demonstrieren, sind im öffentlichen Raum präsent und werden in Parlamente gewählt.

Wenn wir dieser Entwicklung etwas entgegen setzen wollen, brauchen wir einerseits eine reale Utopie einer anderen Gesellschaftsform. In der Hierarchien und Gesellschaftsklassen durch egalitäre soziale Verhältnisse aufgehoben werden. Eine Gesellschaft, in der Eigentum bedeutet, dass alles allen gehört.
Andererseits müssen wir im Hier und Jetzt beginnen, emanzipatorische Prozesse anzustoßen. Das heißt, sich so zu organisieren, so zu kämpfen und leben wie wir uns die Verhältnisse ohne der kapitalistischen Verwertungslogik vorstellen.

Wir wollen am 1. Mai all jenen eine Stimme geben, die bereits Tag für Tag gegen die Verhältnisse sozialer Ungleichheit ankämpfen. Solidarisch und selbstorganisiert.

Eine sozialrevolutionäre Perspektive ist die Alternative
The Future Is Unwritten

A-Kafe | 11.05.17 | Vortrag: Ende Gelände! Keinen Meter der Braunkohle

Dieses Mal im A-Kafe ein Vortrag zu “Ende Gelände! Keinen Meter der Braunkohle”:

Deutschland ist Weltmeister bei der Förderung des Klimakillers Braunkohle. Seit 23 Jahren verhandeln Regierungsvertreter*innen, ohne die globale Erwärmung erfolgreich zu begrenzen und schon jetzt ist klar: Deutschland verfehlt seine Klimaziele bis 2020. Der Klimawandel wartet nicht – eine kämpferische Klimabewegung ist daher nötiger denn je!

System change not climate change!

Ohne eine Abkehr vom fossilen Kapitalismus ist weder eine ernstzunehmende Bekämpfung des Klimawandels, noch globale soziale Gerechtigkeit möglich. Es ist ein tiefgreifender sozial-ökologischer Wandel nötig, um ein gutes Leben für alle zu erreichen!

Wir sagen ENDE GELÄNDE!

Mehr als 3500 Menschen haben im Mai 2016 als “Ende Gelände” in der Lausitz Kohlebagger besetzt und Kohleinfrastruktur für über 48 Stunden stillgelegt – eine Premiere der deutschen Geschichte. Angesichts der Notlage der Welt sind Aktionen zivilen Ungehorsams unabdingbar. Daher laden wir und das A-Kafe euch herzlich ein mehr zu erfahren, was sich bisher bewegt hat, wo es dieses Jahr gilt aktiv zu sein und was jede*r von uns gezielt tun kann.

Kafe Marat | 11.05.17 | 20 Uhr

 

DisruptJ20! IFA Solidarity Statement

As International of Anarchist Federations (IAF-IFA), we support the demonstrations planned to take place during the inauguration of Donald Trump, 20 January 2017.

It should go without saying that we do not support Hilary Clinton or any other politician : we know they are both faces of capitalism, racism and war. But the inauguration of Trump means the legitimisation of white supremacism, neo-nazism and mysoginy.

We don’t give a damn about élections ; the change we fight for will be archived only by ourselves, trought direct action.
We expect nothing from politicians but suffering, exploitation and oppression.

We stand with all those experiencing police attacks, racist murders and sexist violence.

In solidarity,
CRIFA, Marseille, 3-4 December 2016

A-Kafe am 12. Januar

Nächste Woche Donnerstag wird im A-Kafe wieder gelesen, geplaudert und geschlemmt. Dieses Mal gibt es eine ganze Reihe an Infomaterial zum Thema Anarchie. Kommt ab 20 Uhr vorbei und schnappt euch ein paar Flyer, Reader, Zeitschriften, Sticker und vieles mehr.

12.01.17 | Kafe Marat, Thalkirchnerstraße 102 | 20 Uhr

Solidarität mit den anarchistischen Gefangenen in Aserbaidschan!

160806asa-soli-1-845x321Solidarität mit Bayram und Qiyas!

Die beiden Anarchisten Bayram und Qiyas sind nach einem Protestgraffiti gegen das autoritäre Regime in Aserbaidschan verhaftet worden. Um das Strafmaß deutlich zu erhöhen, wurde den beiden Drogenbesitz untergeschoben,  eine übliche Masche bei politischen Gefangenen in Aserbaidschan. Deshalb drohen ihnen nun statt weniger Monate Haft, eine Haftstrafe von 8-12 Jahren wegen illegalen Drogenbesitz. Außerdem droht ihnen im Gefängnis Folter, das mussten andere politische Gefangene in der Vergangenheit schon erleben.

Auch wenn es unterschiedliche Formen und Herangehensweisen gibt: Alle Staaten unterdrücken mittels Gesetzen, Polizei, Militär und anderen Herrschaftsformen aufkommende Kritik und Widerstand gegen die gegenwärtige Gesellschaftsweise Kapitalismus, obwohl klar ist, dass der dieser weltweit nur einer kleinen Minderheit ein gutes Leben ermöglicht und die Umwelt dauerhaft zerstört. Sich gegen Herrschaft und Unterdrückung durch Staaten oder Gesellschaftssysteme entgegenzustellen, ist und bleibt legitim.

Wenn Du die Gefangenen unterstützen willst, verbreitete diese Informationen, schreibe dem Honorarkonsulat in Stuttgart oder den Gefangenen – allerdings dürfen die beiden politischen Gefangenen als einzige Häftlinge in Aserbaidschan keine Briefe versenden und können deshalb nicht antworten.

Niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind!

Irgendwo in Deutschland – Demo in Zwickau – 5.11.

irgendwo_in_zwickau-01Aufruf #irgendwoindeutschland:

Am 04.11.2016 jährt sich die Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zum fünften Mal. Nirgendwo lässt sich der gesamtgesellschaftliche Rassismus in Deutschland derart deutlich aufzeigen, wie an den Taten des NSU und deren Aufarbeitung. Das Kerntrio, das jahrelang „unentdeckt“ durch die Bundesrepublik ziehen konnte, war verantwortlich für die neun rassistischen Morde an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat, sowie für den Mord an Michèle Kiesewetter. Bei den drei Sprengstoffanschlägen in Köln und Nürnberg wurden viele Menschen verletzt, nur durch Glück wurde niemand getötet.

Ermöglicht wurde diese Terrorserie durch einen Rassismus, der das Handeln der meisten Menschen in diesem Land, staatlicher Behörden und der Polizei bestimmt. Rund um die Taten des NSU zeigt sich eine arbeitsteilige Verknüpfung von schweigender bis zustimmender Bevölkerung und den mörderischen Aktionen der Neonazis. Von ihrer völkischen Ideologie angetrieben mordete die Gruppe um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und wurde dabei von einem bundesweiten Netzwerk von Neonazis unterstützt. In diesem tummelten sich, wie wir heute wissen, über 40 Informant*innen von Polizei und Verfassungsschutz. Viele von ihnen leisteten finanzielle und strukturelle Aufbauarbeit in den entscheidenden Neonazi-Organisationen der 90er-Jahre. Der Thüringer Heimatschutz, in dem auch das spätere NSU-Kerntrio aktiv war, wurde bspw. vom V-Mann Tino Brandt aufgebaut. Später leitete er Gelder des Thüringer Verfassungsschutzes über Mittelsmänner an die inzwischen Untergetauchten weiter und berichtete seinem V-Mann Führer, wohin die Drei „verschwunden“ waren. Diese Informationen führten bekanntlich zu keiner Festnahme von Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos.

Damit leisteten auch die staatlichen Behörden ihren Beitrag bei der politischen Sozialisierung und dem Leben der Drei im „Untergrund“. Zudem verhinderten die rassistisch strukturierten Ermittlungen gegen die Angehörigen der Opfer das Ermitteln der tatsächlichen Täter*innen. Bereits an den Namen der in der Mord- und Anschlagsserie ermittelnden Sonderkommissionen „Halbmond“ und „Bosporus“ zeigt sich der institutionelle Rassismus, der die Taten als „Ausländerkriminalität“ deuten wollte. Das wird insbesondere an einem LKA-Gutachten deutlich: „Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturkreis mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist“. Somit sei davon auszugehen, dass die Täter*innen „im Ausland aufwuchsen oder immer noch dort leben“.

Auf medialer Ebene setzten sich diese rassistischen Deutungen durch. Die Nürnberger Zeitung prägte für die neun Morde den abschätzigen Ausdruck „Döner-Morde“, der von der bundesdeutschen Medienlandschaft bereitwillig übernommen wurde. Auch die radikale Linke folgte dieser Interpretation insofern, als dass ihr ein rassistisches Motiv der Mörder*innen bis zur Selbstenttarnung des NSU im November 2011 nicht in den Sinn kam. Die Versuche der Angehörigen, einen möglichen rassistischen Hintergrund in Interviews oder auf Demos zu benennen, wie z.B. mit der Forderung „Kein 10. Opfer“ auf Demonstrationen in Dortmund und Kassel im Mai/Juni 2006, blieben ungehört.

Zwickau: ein guter Unterschlupf für Nazi-Terrorist*innen

Vor fünf Jahren, im November 2011, schien die Überraschung über die Selbstenttarnung des NSU groß. Doch Zwickau als Ort verdeutlicht, wie die Mehrheitsgesellschaft den Aufbau der NSU-Strukturen unterstützt und gefördert hat. Ein breites Netzwerk ermöglichte dem NSU einen komfortablen Rückzugsort, trotz eines Lebens im „Untergrund“. Neben starken Neonazistrukturen verschaffte gerade die Mischung aus nachbarschaftlicher Ignoranz und Akzeptanz dem NSU einen freien Rücken. Frühere Nachbar*innen berichten von Beate Zschäpe als netter Frau und „Katzenmama“. Die Hitler-Bilder, die im als Nachbarschaftstreff genutzten Party-Keller eines Nachbarn gefunden wurden, zeugen von ideologischer Zustimmung und Verbundenheit in der Zwickauer Frühlingsstraße. Im Miteinander von Neonazis und „normalen“ Bürger*innen erscheint die Volksgemeinschaft in ihrer menschenfeindlichen Ausdrucksform. Das gilt für Zwickau in der spezifischen sächsischen Ausprägung einer bundesweiten Realität.

Nicht nur das direkte nachbarschaftliche Umfeld ermöglichte ein angenehmes Leben im Untergrund, die Hilfsbereitschaft der Zwickauer Bürger*innen zeigte sich auch auf anderen Ebenen: Neonazis in Zwickau und Chemnitz betrieben neben Kleidungsgeschäften auch Baufirmen und Security-Unternehmen. Sie errichteten seit den 1990er Jahren eine funktionierende Infrastruktur, die sowohl Geld einbrachte, als auch die Grundbedingungen für das Leben des NSU im „Untergrund“ schuf. Ralf Marschner, Inhaber einer Baufirma, mehrerer Shops für Nazibekleidung und eines rechten Labels, war vermutlich zeitweise Arbeitgeber des NSU-Trios. Zudem konnten diese Betriebe auch bundesweit tätig sein und somit ohne Aufsehen zu erregen Autos anmieten, die vermutlich bei den Morden genutzt wurden.

Dieses gesellschaftliche Klima besteht fort. Dem BKA sind seit November 2011 bereits 288 Straftaten mit Bezug zum NSU gemeldet worden. In Sachsen und bundesweit sind Übergriffe und Anschläge auf Geflüchtete und alle anderen, die als Fremde oder Feinde markiert werden, Alltag. Was bereits im Herbst 2013 an Orten wie Schneeberg begann, setzt sich hier fort. Menschen werden angegriffen, Unterkünfte angezündet. In Heidenau kommt es im August 2015 sogar zu pogromartigen Ausschreitungen, in Bautzen finden im September 2016 Menschenjagden auf Geflüchtete statt. „Besorgte Bürger*innen“ hetzen in Form von Demonstrationen, Blockaden von Unterkünften und anderen Aktionen des so genannten „zivilen Ungehorsams“ gemeinsam mit organisierten Neonazis gegen Geflüchtete.

Auch in Zwickau protestieren mehrfach bis zu 1000 Demonstrant*innen gegen die Einrichtung von Geflüchtetenunterkünften, im Mai gab es einen Brandanschlag auf die Unterkunft an der Kopernikusstraße. Ohne nennenswerten Widerspruch durch die Mehrheitsbevölkerung formiert sich aktuell eine völkische Bewegung. Deutlich zeigen sich die Kontinuitäten zu den rassistischen Pogromen der 1990er Jahre.

Ebenso lässt sich eine klare Linie von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda über die Neonaziszene und den Thüringer Heimatschutz zum NSU und seinem Umfeld ziehen: Im Klima der Pogrome erfuhren die Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes, aus dem später der NSU hervorging, ihre politische Sozialisation. Sie konnten auf lokaler und regionaler Ebene eine rassistische Alltagshegemonie erleben und auf der Straße ohne nennenswerten gesellschaftlichen Widerstand agieren, oftmals sogar unter offenem Zuspruch. Die Lektion, die sie daraus lernen konnten, war die, dass sie mit ihren Auffassungen auf einen breiten gesellschaftlichen Rückhalt zählen konnten und militante Aktionen in diesem Klima politisch belohnt wurden.

Totgeschwiegen, heruntergespielt, verharmlost – damals wie heute

Das Schweigen und die fehlende Auseinandersetzung mit dem NSU und dessen Umfeld zeigen, wie eine Aufarbeitung des NSU-Komplex und eine Erinnerung an die Opfer systematisch verdrängt und verhindert werden. Reflexhaft verkündete die Zwickauer Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (Die LINKE) 2011: „Mit Zwickau hat das Ganze nichts zu tun!“ Lokale Initiativen, die sich für eine kritische Auseinandersetzung damit einsetzen, dass das Kern-Trio des NSU in Zwickau seinen Lebensmittelpunkt hatte, werden immer noch von der Stadt und großen Teilen der lokalen Bevölkerung dafür angegriffen. Der Abriss des Wohnhauses in der Frühlingstraße ist das Sinnbild einer Lokalpolitik, die lieber dem Gras beim Wachsen zu schaut, als sich selbstkritisch dem jahrelangen Versagen zu stellen.

Dass Zwickau für die Neonaziszene noch immer eine ganze Erlebniswelt bietet, mit Bekleidungsgeschäften, rechten Kampfsportevents, Neonazikonzerten, des ungehemmten Auslebens rechten Gedankenguts bei lokalen Fußballvereinen und Arbeitsplätzen bei den national gesinnten Kamerad*innen – darüber wird in Zwickau nicht gerne gesprochen. Nicht einmal die Selbstenttarnung des NSU hat zu einem Umdenken geführt. Eine Gedenktafel für die Opfer ist nach wie vor unerwünscht und ein Schulprojekt zum Thema wurde zunächst vom Kulturausschuss der Stadt sabotiert. Nach Bewilligung der Gelder geht nun die AfD gegen das Projekt vor. Dieses Desinteresse an Aufklärung und Erinnerung verhöhnt die Opfer des NSU und rechter Gewalt in Deutschland. In diesem Zwickau, mit dem das alles nichts zu tun hat, hängt 2011 im Naziladen Eastwear über Wochen ein T-Shirt mit Pink Panther und der Aufschrift „Staatsfeind“. Verschiedene Bekennervideos zu den Morden des NSU im Format der Pink Panther-Cartoons wurden in der abgebrannten Wohnung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos in Zwickau gefunden. Auch diverse Sprühereien mit Bezug zum NSU zeigen deutlich, dass die lokale Szene sich dafür feiert, dass das Trio in ihrer Stadt gelebt hat.

Grund genug, die Zwickauer Zustände in die Öffentlichkeit zu zerren

Mit einer Demonstration anlässlich des fünften Jahrestages des Bekanntwerdens des NSU gehen wir am 5. November nach Zwickau, wo die rassistischen Strukturen und das Umfeld des NSU die Morde ermöglicht haben. Wir gehen gegen den rassistischen Alltag in Zwickau und in Sachsen und deutschlandweit auf die Straße:

  • Wir erinnern an die Opfer der Mord- und Anschlagsserie des NSU und drücken unsere Solidarität mit ihnen und ihren Angehörigen aus.
  • Wir wollen auf die Neonazistrukturen und ihre nachbarschaftliche Komfortzone hinweisen und diese zurückdrängen.
  • Wir fordern nach wie vor die Abschaffung aller Inlandsgeheimdienste, die unter dem Label „Verfassungsschutz“ operieren und verdeckte Aufbauarbeit für neonazistische Gruppierungen betreiben.
  • Wir fordern insbesondere eine Auseinandersetzung mit und Aufarbeitung der rassistischen Morde durch einen internationalen Untersuchungsausschuss und unter Einbeziehung der Angehörigen in die Aufklärungsarbeit.

Für weitere Infos